Europäische Mehrsprachigkeit
Die vorliegende Nummer 14/2025 umfasst ausschließlich Beiträge des Herausgebers.
Dieser ungewöhnliche Umstand erklärt sich dadurch, dass ungeplant ein neues Thema für mich aktuell wurde, auf das ich aber durch meine Vorbildung nicht hinreichend vorbereitet war: die europäische Mehrsprachigkeit. Ausführliche Lektüren, die z.T. neue Perspektiven eröffneten, waren unerlässlich.
Zudem fanden zwei zur Veröffentlichung bei Fachzeitschriften vorgesehene Aufsätze nicht das Placet der Gutachter. Einer der beiden Aufsätze ist in Teilen in den ersten Aufsatz über „Europäische Mehrsprachigkeit“ eingearbeitet worden. Der andere Text „Das Einwachsen europäischer Studierender in eine unbekannte europäische Sprache“ erscheint hier in unveränderter Form. Die Leser und Leserinnen mögen selbst beurteilen, ob er vielleicht doch von Interesse ist.
ERSTER TEIL
Ist Mehrsprachigkeit ein sprachwissenschaftliches Thema? Ja und nein! Ja, insofern es mit Sprache(n) zu tun hat. Nein, insofern es darüber hinaus mit Phänomenen des menschlichen Lebens zu tun hat – mit Atmosphären, Situationen, affektiven Evidenzen – , zu denen die Linguistik nichts sagen kann. Der Grund dieser Zwiespältigkeit ist darin zu sehen, dass es neben der funktionalen Mehrsprachigkeit, der wir uns für bestimmte Zwecke bedienen, auch die affektive Mehrsprachigkeit gibt. Damit sind nicht (nur) umgangssprachliche Kraftausdrücke gemeint, sondern die subjektiv affizierende Begegnung mit einer Sprache, die mich atmosphärisch ergreift und mir schlagartig klar macht: Das gehört zu mir!
Affektive Mehrsprachigkeit als einen Weg plausibel zu machen, um Europäerin, bzw. Europäer zu werden, setzt eine andere Weise voraus, wie man eine Sprache erwirbt. Sowohl die Einstellung der Lernenden wie auch der Umgang mit der jeweiligen Sprache sind deutlich von der Situation des üblichen Schulunterrichts zu unterscheiden. Dementsprechend müssen auch die Erwartungen und das methodische Vorgehen, wie und welche Kompetenzen angestrebt werden, neu bestimmt werden.
Wie bereits in zurückliegenden Nummern von impEct dokumentiere ich auch in Nummer 14 Gelegenheitstexte. Dazu gehören zwei Aufsätze die ich auf Einladung der Staatlichen Universität Togliatti / Toljatti (RUS) verfasst habe. Gegen den an europäische Studierende gerichteten Vorschlag, eine „globale Marktpersönlichkeit“ zu werden, argumentiere ich, dass zur Ausbildung einer Persönlichkeit im Rahmen der Hochschulbildung ein Sichfinden notwendig ist, das in einem kulturell orientierenden situativen Rahmen stattfindet. Für Europäerinnen und Europäer sind dies unterschiedliche Europäisierungsstile, die sich auf den europäische Zivilisationstyp beziehen.
In deutschen Schulen ist Europa ein fester Bestandteil der Curricula. Aber was ist mit dem Ausdruck „Europa“ gemeint? Wie sollen Schüler und Studierende über Erzählungen hinaus (heute gern ‚Diskurse‘ genannt) eigene Erfahrungen mit dem Bezeichneten sammeln? Selbst Pädagogen und Pädagoginnen können darauf nicht überzeugend antworten, weil diese Frage von einem abstrakten begrifflichen Niveau aus bearbeitet wird. Aus diesem Grund wird ein Vorschlag gemacht, wie sog. implantierende Situationen subjektiv affizierende Erfahrungen ermöglichen können.
ZWEITER TEIL
Mitteilungen
Die Überlegungen, wie drei von mir verschiedentlich referierte Sprüche altgriechischer Weisheit für die Gegenwart fruchtbar gemacht werden können, überkreuzten sich mit der (mir aus unerklärlichen Gründen nicht bekannt gewordenen) Nachricht vom Tod von Julitta Münch im Jahr 2020. Im Aufsatz über die „Europäische Mehrsprachigkeit“ verweise ich auf diese außergewöhnliche Aufklärerin. Außerdem widme ich ihr folgenden Nachruf:
Meine Texte, die keine Gelegenheitsarbeiten sind, werden in Zukunft die DOI-Kennung erhalten und – mit einer gewissen zeitlichen Verzögerung – bei ORCID gespeichert werden. Außerdem ist eine Übertragung dieser Texte in „Hyper Articles en Ligne“, kurz: HAL Archive ouverte / HAL Open Science, beabsichtigt.
Der Herausgeber
Werner Müller-Pelzer
Dortmund, im September 2025