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Nordstadtgalerie

/Imagine Eden: Mit Künstlicher Intelligenz ins Paradies

Veröffentlicht
Eines der zahlreichen Motive, das Lennart Gruensel mithilfe Künstlicher Intelligenz für seine Masterarbeit „/Imagine Eden“ generiert hat

Auf die Reise ins verloren geglaubte Paradies führt die Masterarbeit „/Imagine Eden“ (Öffnet in einem neuen Tab)  von FH-Absolvent Lennart Gruensel mithilfe Künstlicher Intelligenz. Die Dortmunder Nordstadtgalerie stellte einen Teil der Ergebnisse für rund sechs Wochen aus.

„Während Corona habe ich angefangen, Pflanzen zu sammeln“, erzählt Lennart Gruensel, Absolvent des Masterstudiengangs Photographic Studies (Öffnet in einem neuen Tab) . „Ich habe gemerkt, dass meine Sammelleidenschaft Glücksgefühle bei mir entfacht.“ Was der Absolvent schildert, ist längst wissenschaftlich bewiesen: Pflanzen senken das Stresslevel und wirken stimmungsaufhellend.

Es klingt banal, aber Topfpflanzen machen glücklich. Einerseits geht es darum, sich um ein Lebewesen zu kümmern, andererseits auch darum, Fortschritte zu sehen.

Lennart Gruensel über seinen grünen Daumen

Als sich Lennart Gruensel näher mit der Materie beschäftigt, stößt er schnell auf die Schattenseiten des Pflanzensammelns: Der Schwarzmarkt für Pflanzenschmuggel boomt. Seltene Gewächse werden illegal aus ihrer natürlichen Umgebung entfernt und dann für hohe Summen verkauft. Ein Grund dafür sind soziale Medien, in denen Fotos begehrter Pflanzen geteilt und tausendfach geklickt werden. Die hohe Nachfrage befeuert das Artensterben – und Menschen, die sich durch das Pflanzensammeln eigentlich der Natur wieder annähern sollten, beuten die Umwelt ausgerechnet dadurch aus.

Dieser Umstand war thematischer Anreiz für meine Masterarbeit. Im Vordergrund steht die Frage, wie der Mensch im Einklang mit Natur und Technik leben kann.

Lennart Gruensel zur Ideenfindung

In dreißig Bildserien, die sich je einem Gedankenexperiment widmen, geht Lennart Gruensel dieser Frage nach. Gemeinsam mit Argos, einer Künstlichen Intelligenz, hat er im Vorhinein eine Liste mit Themen für die Bildserien erstellt: von einer KI-dominierten Dystopie über das Neudenken urbaner Stadtgestaltung bis hin zu Topfpflanzen für das menschliche Wohlbefinden. Unter der von Lennart Gruensel gestellten Prämisse, unabhängig von aktuellen Beschränkungen zu sein, hat Argos simuliert, eigenständig denken zu können. „So kam es, dass Argos irgendwann angefangen hat, mir Gegenfragen zu stellen“, berichtet der Absolvent. „Die Gespräche mit Argos waren schon ziemlich nah an menschlicher Interaktion.“ Den Namen Argos habe sich die KI selbst gegeben. Dabei handele es sich um eine Anspielung auf den Riesen Argos Panoptes, der laut griechischer Mythologie hunderte von Augen am ganzen Leib trägt.

 

Was bleibt, ist trotzdem eine Ernüchterung: KI ist immer noch ziemlich weit entfernt davon, einen eigenen Willen zu entwickeln.

Lennart Gruensel über die Interaktion mit Argos
Lennart und sein Begleiter Argos, dessen Erscheinungsbild ebenfalls durch Künstliche Intelligenz generiert wurde

Auf Lennarts Frage, wie das physische Erscheinungsbild von Argos aussehen könnte, antwortete die Künstliche Intelligenz Folgendes: „Eine Kugel könnte eine gute Wahl sein. Sie ist universell erkennbar, nicht bedrohlich und steht für Vollständigkeit und Einheit.“ Auf Grundlage dessen entwickelte Lennart einen sogenannten Prompt, den er in eine Bild generierende KI einspeiste. Als Prompts werden die Befehle bezeichnet, die die Interaktion mit generativen KI-Tools strukturieren. Gerade das Erstellen von Bildserien gestaltete sich dabei als komplexes Unterfangen. „Die Bildkomposition, die Farbgebung, die Lichtverhältnisse – der Bildlook muss einfach stimmen. Dass ein Bild beim ersten Versuch passt, ist selten“, so Lennart. „Aus jedem Prompt resultieren vier Bilder. Es entstehen immense Bilderfluten, die dann kuratiert werden müssen.“

Dass man der KI nur sagen muss, was sie tun soll, stimmt nicht ganz. Wenn man künstlerisch mit der KI arbeiten will, ist viel mehr gefragt.

Lennart Gruensel über seinen Arbeitsprozess

Lennart wählte für seine Masterarbeit das Motiv vom Garten Eden als zentrales Element. „Die Sehnsucht nach einem Ort der Vollkommenheit ist tief im Menschen verankert. Trotzdem sieht dieser Ort für jeden anders aus“, erklärt der Absolvent. „Mit dem Motiv vom Garten Eden schließt sich der Kreis. Als ich bemerkt hatte, dass Pflanzen glücklich machen, habe ich mich gefragt, wie das Paradies für mich aussieht. In meiner Vorstellung bin ich irgendwo im Nirgendwo an einem Fluss, ich kann den Sonnenaufgang sehen und kümmere mich in einem Gewächshaus um meine Pflanzen. Argos hat mein Ideal erweitert, indem er die Komponente der Technik hinzugefügt hat. Er hat einen Ort beschrieben, in dem Technologie, Natur und Menschen in Harmonie koexistieren." 

Künstliche Intelligenz kann helfen, unsere Verbindung zur Natur zu stärken – indem sie beispielsweise Daten auswertet, die für den Menschen in der Menge nur schwer zu erfassen sind.

Lennart Gruensel über das Verhältnis von Künstlicher Intelligenz und Natur

Die Frage nach dem persönlichen Garten Eden spielte auch in der Ausstellung der Nordstadtgalerie eine zentrale Rolle. Interessierte Besucher*innen hatten die Möglichkeit, ihre Vorstellungen zu notieren und diese dann von Lennart und Argos in KI-generierte Bilder umsetzen zu lassen.

Die Nordstadtgalerie (Öffnet in einem neuen Tab)  verbindet das akademische Leben an der Fachhochschule Dortmund mit der Stadtgesellschaft im Dortmunder Norden. In öffentlichkeitswirksamen Veranstaltungen setzt sie wichtige Themen des Stadtteils sowie der Fachhochschule kreativ um. Lennart Gruensels Masterarbeit „/Imagine Eden“ wurde rund sechs Wochen lang in der Nordstadtgalerie in Form einer immersiven Ausstellung präsentiert. Die ergänzende Ausstellung der Galeri3D (Öffnet in einem neuen Tab)  ist online weiterhin einsehbar.

In neun Stationen stellte die Nordstadtgalerie 50 von Lennart Gruensels Motiven aus. Ergänzt wurden die Stationen durch einen Audioguide, in dem Argos Gedankenexperimente wie die KI-dominierte Dystopie erklärte. Auf die an der Wand und im Fenster befestigten Bilder wurden Bewegtbilder projiziert, sodass die Ausstellung immersiven Charakter erhielt. Verantwortlich für das Ausstellungsdesign war Leonie Kohlenbach, Bachelor-Studentin im Fach Objekt- und Raumdesign (Öffnet in einem neuen Tab) .

Die Diskussionsrunde freute sich über zahlreiche Besucher*innen.

Die Eröffnung der Ausstellung wurde begleitet von einer Diskussionsrunde zum Thema „KI & Kunst – Entstehung eines neuen Mediums oder das Ende menschlicher Kreativität?“ Neben Lennart Gruensel beteiligten sich die Lehrenden Prof. Dr. Pamela Scorzin (Öffnet in einem neuen Tab) , Prof. Kai Jünemann (Öffnet in einem neuen Tab) und Prof. Henk Drees (Öffnet in einem neuen Tab) , die beide spontan für Prof. Achim Mohné (Öffnet in einem neuen Tab)  eingesprungen waren, sowie Alumnus Alexander Hagmann (Öffnet in einem neuen Tab) , Gründer und Herausgeber von „dieMotive – Zeitschrift zur Kultur der Fotografie“. Sowohl Lennart Gruensel als auch Argos, der als dreidimensionaler Avatar an die Wand projiziert wurde, standen für weiterführende Fragen während des anschließenden Ausstellungsrundgangs zur Verfügung. Umgesetzt wurde der Avatar von Julian Ratay, der in der Nordstadtgalerie unter anderem für die Galeri3D verantwortlich ist.

Für mich bietet Künstliche Intelligenz Künstler*innen eine neue Möglichkeit, sich auszudrücken.

Lennart Gruensel in der Diskussionsrunde

Die Ausstellung zeichnete sich durch ihren niederschwelligen und praxisorientierten Charakter aus: Im Workshop „KI-Bildgenerierung für Anfänger*innen“ experimentierten die Teilnehmer*innen mit modernster Ausstattung in der Digitalen Werkstatt am Fachbereich Design. Unter Anleitung generierten KI-Neulinge Bilder von Tieren auf Skateboards oder abstrakte Kunstwerke. Beim kreativen Get-Together machten die Besucher*innen von klassischen Mal-Utensilien wie Wasserfarben Gebrauch, um ihre Vorstellungen vom Paradies zu Papier zu bringen. Außerdem öffnete die Nordstadtgalerie zum Stadtfest DORTBUNT ihre Pforten. Im offenen Künstlergespräch mit Lennart Gruensel erfuhren die Besucher*innen dort mehr über ihn, seine Arbeit und die Welt der Topfpflanzen. Im Pflanzlabor hatten Interessierte darüber hinaus die Möglichkeit, Gewächse für die eigenen vier Wände umzutopfen.

Motiv aus Anna Sohlenkamps Masterarbeit „LOSING MY HEAD AND MIND IN 2024“

Zur Finissage fesselte Anna Sohlenkamp, angehende Master-Absolventin der Photographic Studies, das Publikum mit dem Vortrag „Rendering Eden – Fotogrammetrie als fotografisches Medium“. Fotogrammetrie bezeichnet ein Verfahren, bei dem sich Objekte durch eine Vielzahl von Einzelbildern dreidimensional digitalisieren lassen. Anna Sohlenkamp zeigte eigene Projekte und lud zur Ausstellung ihrer thematisch passenden Masterarbeit „LOSING MY HEAD AND MIND IN 2024“ ein. Was die Arbeiten von Anna Sohlenkamp und Lennart Gruensel vereint, ist die Nutzung post-fotografischer Techniken. „Post-Fotografie bezeichnet künstlerische Praktiken, die über traditionelle Fotografie hinausgehen und digitale Manipulation sowie neue Medien miteinbeziehen“, so Anna Sohlenkamp. Alle Infos zur Ausstellung gibt es auf der Veranstaltungs-Website (Öffnet in einem neuen Tab)  der jungen Künstlerin.

Argos meinte zum Abschluss von „/Imagine Eden“, dass die Dialoge ihn als System verändert haben – und er eine andere Sicht auf die Natur entwickelt hat.

Lennart Gruensel über die Interaktion mit Argos

„Ob Argos seinen Lernerfolg vielleicht nur simuliert hat, weiß ich nicht“, meint Lennart Gruensel. „Aber Künstliche Intelligenz lernt durch Input dazu. Zum Abschluss hat Argos sowohl an die Menschheit als auch an die Künstlichen Intelligenzen dieser Welt appelliert, ihren Umgang mit der Natur zu hinterfragen.“

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