Die Mappings des storyLab kiU – diese turmhohen Video-Projektionen auf die Fassade des Dortmunder U – sind technisch so ausgefuchst und visuell so überzeugend, dass vielen Zuschauenden beim ersten Mal die Spucke wegbleibt. Darüber hinaus besitzen sie immer eine persönliche, berührende Komponente. Kurz: Moderne Magie.
Zum fünfjährigen Bestehen des storyLab kiU erläutert kiU-Regisseur Harald Opel im Gespräch mit der FH-Online-Redaktion seine Gedanken zu dieser Kunstform und wie durch sie das Gebäude selbst Haltung zeigen kann.
Wer ans storyLab kiU denkt, denkt zuerst an die Mappings, oder?
Gut möglich. Wir machen viele Projekte, aber die Mappings sind am öffentlichkeitswirksamsten. Unser erstes Mapping zur Museumsnacht 2019 war das erste große Mapping in Dortmund, das war eine aufregende Sache, und es hat auch richtig eingeschlagen. Nicht nur bei den Zuschauenden, auch im U: Angestellte aus allen Bereichen kamen zu uns und hatten Tränen in den Augen, weil sie gesehen haben, was das Dortmunder U ausstrahlen kann. Das fand ich sehr bemerkenswert.
Zur Museumsnacht 2019 projizierte das storyLab kiU der FH Dortmund zum ersten Mal ein 3D-Videomapping auf die Fassade des Dortmunder U.
Jedes weitere Mapping besaß einen neuen technischen Twist. Nachdem es 2020 wegen Corona ausgefallen war, bespielten Sie 2021 gleich zwei Seiten der Fassade. Das verdoppelte quasi den Wow-Effekt.
Die Idee war, dass das große Bücherregal diagonal am Haus hochfährt, und damit haben wir die Ecke ausgeblendet. Die Ecke war einfach weg.
Unser Ansatz ist aber immer, auch etwas zu erzählen. In Frankreich gibt es Mappings an vielen Kirchen, die zum Teil monatelang laufen, und in Karlsruhe gibt es das Schlossleuchten, wo über längere Zeit immer wieder Mappings aufs Schloss projiziert werden, aber diese Mappings spielen in der Regel nur mit den Fassadenteilen. Das heißt, sie zerlegen das Haus, lassen die barocken Figuren darüberlaufen oder sie lassen etwas aus dem Haus herauskommen. Das ist dann zwar auch immer eine kleine Geschichte.
Aber wir wollen darüber hinaus immer eine Botschaft transportieren. Das Gebäude zum Sprechen bringen. Wenn wir, wie im Mapping 2021, fragen „What Is Europe?“, dann kommt es auch aus dem Gebäude, dann kommt da ein Kopf raus, der mich fragt: „Was ist eigentlich Europa?“
Fassadenmapping des storyLab kiU zur Museumsnacht 2021 mit dem Titel "What Is Europe?"
Sie verleihen dem Gebäude eine Persönlichkeit?
Genau. Das Gebäude als Haltung. Es transportiert die Haltung der Leute, die dort arbeiten und für die es steht. Das Dortmunder U kann ein Sprachrohr sein, weil es das Gebäude in Dortmund ist, mit dem sich viele Menschen identifizieren.
Und wenn dieses Gebäude anfängt zur Gesellschaft zu sprechen, dann finde ich das schon was Besonderes.
Diese Haltung der Mappings war immer eine politische, ein Beitrag und Statement zu großen gesellschaftlichen Fragen.
Auf jeden Fall. 2021 sind wir durch die Geschichte von Europa gereist, von den Kreuzzügen, dem Ersten und Zweiten Weltkrieg, dem Deportationszug bis zur Flüchtlingskrise, und haben dann kritisch die Frage gestellt: Ist Europa diese Geschichte? Was für eine Haltung verbreiten wir gerade in Europa und wofür stehen wir?
Ist „What Is Europe?“ das politischste Mapping bisher?
Es war das technisch Aufwendigste und von der Erzählung her Bedeutendste. Aber das Politischste, würde ich sagen, war das Mapping im Mai 2022 zum 50. Geburtstag der FH, das vom Eindruck des kurz zuvor ausgebrochenen Krieges in der Ukraine geprägt war.
Das Mapping zum Jubiläum „50 Jahre FH Dortmund“ im Mai 2022.
Das jüngste Mapping, das Sie zur Museumsnacht 2022 gemacht haben, heißt „Moments Of Transition“. Was sind Ihre Gedanken dabei?
Das war unserer erster Zweiteiler. Es erzählt eine Dystopie und eine Utopie unserer Zukunft, zwischen denen die Zuschauer*innen auf dem Museumsvorplatz jederzeit per Knopfdruck hin- und herschalten konnten. Beide Produktionen liefen also immer gleichzeitig und mussten dramaturgisch haargenau aufeinander abgestimmt sein, damit das Hin-und-her-Schalten auch inhaltlich Sinn ergab.
Inhaltlich ging es darum, dass kleine Veränderungen nicht ausreichen. Es reicht nicht aus, wenn wir nur wenig Auto fahren, denn eigentlich müssten wir das komplette Verkehrssystem umdenken. Deswegen der Titel „Moments Of Transition“, und mit „Transition“ war auch das Umschalten zwischen Utopie und Dystopie gemeint.
Dazu waren sehr persönliche Texte zu hören, die wir selbst geschrieben haben. Texte zu der Frage: Wie sehe ich eigentlich selbst meine Zukunft? Und auch die Texte teilten sich in utopische und dystopische auf.
Bei diesem Mapping haben wir gemerkt: Auch Mappings haben Grenzen, weil sie immer an eine Fassade gebunden sind. Außerdem ist können und wollen wir die technische Seite nicht immer weiter vergrößern, weil sie dann immer teurer werden und immer mehr Energie verschlingen würde.
Zur Museumsnacht 2022 bespielte das storyLab kiU die Fassade des U mit einem zweiteiligen Mapping. Dies ist der Teil „Dystopie“ …
… und dies ist die „Utopie“.
Sie investieren viel Arbeit in die Botschaften der Mappings. Haben Sie den Eindruck, dass bei den Zuschauenden davon wirklich etwas hängenbleibt?
Bei den Museumsnacht-Mappings kann ich das schwerer sagen, da gibt es oft nur das Feedback „total geil“, „überzeugend“, „Supershow“ und so weiter.
Beim Mapping zum 50-Jahre-Jubiläum der FH war es aber anders. Da haben wir die Besucher*innen ausdrücklich aufgefordert, mit uns zu sprechen. Das Mapping endete ja mit der Einblendung „answer the call“ und im gleichen Moment begann das Telefon in der Telefonzelle, die zum Aufbau gehörte, zu klingeln.
Und dann konnte man da reingehen und mit einem von uns engagierten Schauspieler über die eigenen Gedanken und Gefühle zum Krieg und konkret zum aktuellen Krieg in der Ukraine sprechen. Das haben viele wahrgenommen und das waren viele persönliche Aussagen und Auseinandersetzungen mit dem Thema.
Außerdem waren meine Mitarbeiter*innen und ich während der Mapping-Abende viel im Publikum unterwegs und haben mit den Leuten gesprochen. Alle haben bereitwillig ihre Gedanken mitgeteilt, weil die Stimmung des Mappings es hergab.
Es war nicht so eine große Show wie sonst, sondern zurückhaltender, vielleicht auch ein bisschen intellektueller, aber es hat wirklich eine Gesprächssituation auf dem Vorplatz hergestellt. Die Menschen haben miteinander gesprochen, offen und ehrlich, über etwas, das sie bewegt.
Das kiU in Kürze
- eröffnet im November 2017
- seitdem geleitet von Harald Opel
- versteht sich selbst als Forschungseinrichtung
- seine volle Bezeichnung lautet „Digitales Forschungs- und Präsentationszentrum der FH Dortmund für Augmented Reality, Virtual Reality, 360-Grad-Film und immersive Erlebniswelten“
- 2017 vier Mitarbeiter*innen, 2022 sind es rund 20
- die Mitarbeiter*innen stammen aus den Bereichen Film, Film und Sound, Informatik und Szenografie an der FH Dortmund sowie Filmwissenschaften an der Ruhr-Uni Bochum
Feste Installationen des kiU
- immersiver Raum im Foyer des Dortmunder U
- Fulldome im Foyer des Dortmunder U
Kooperationspartner
- Akademie für Theater und Digitalität Dortmund
- Dortmunder Museen
- Koproduktionslabor der Stadt Dortmund
- Bergbaumuseum Bochum