Fast jede*r hat sich schon mal Blut abnehmen oder eine Kanüle legen lassen (müssen). Diese – Achtung: Fachbegriff – periphere Venenpunktion ist das zentrale Element moderner Medizin. Die Prozedur wird täglich zigtausend Mal durchgeführt. Immer von Menschen. Warum eigentlich?
Aron Hemmis studiert an der Fachhochschule Dortmund am Fachbereich Informationstechnik. Seine Schwerpunkte: Robotik und bildgebende Verfahren. Einem Menschen Blut abgenommen hat er noch nie. Aber unter seinen Freund*innen sind einige im Rettungsdienst tätig. „Sie erzählten, dass es nicht immer leicht ist, die Vene richtig zu treffen“, sagt Aron Hemmis. Er recherchiert. Tatsächlich: Bei dieser Prozedur geschehen viel mehr Fehler als bei anderen Eingriffen. „Die Fehlerquote sinkt zwar mit zunehmender Erfahrung des medizinischen Personals. Aber vielleicht kann eine Maschine die Quote noch weiter reduzieren“, überlegt Aron Hemmis.
Er macht die robotergestützte Venenpunktion über mehrere Semester zu seinem Projekt im Fach Biomedizintechnik. Mit seiner Bachelorarbeit dazu wurde er auf der akademischen Jahresfeier der FH Dortmund Ende 2023 (Öffnet in einem neuen Tab) als bester Absolvent des Fachbereichs gewürdigt.
Handelsübliche Webcam umgerüstet
Erster Schritt dabei: die Bildgebung. Wie wird die Vene für die Maschine erkennbar? Dafür testet der Student verschiedene Bereiche Lichtspektrums. „Die Ergebnisse werden besser, wenn für Menschen nicht sichtbare Wellenlängen ins Spiel kommen“, sagt Aron Hemmis. Er schraubt handelsübliche Webcams auseinander, entfernt den dort verbauten Infrarot-Sperrfilter und wendet verschiedene Bildverarbeitungsalgorithmen an. Die Venen seines Unterarms werden so auf dem PC-Monitor klar erkennbar.
Zweiter Schritt: der Nadelstich. Dazu muss die Vene nicht nur erkannt, sondern auch deren Verlauf dargestellt und der Winkel für die Nadel definiert werden. Eine Herausforderung. „Der Versuchsaufbau mit dem Roboterarm hat hier noch Ungenauigkeiten, die in einem fertigen System nicht mehr sein dürfen“, räumt Aron Hemmis ein. Aber: Der Test zeige auch, „dass trotz der Verwendung günstiger Hardwarekomponenten brauchbare Ergebnisse erzielt werden können, die die Realisierbarkeit eines solchen Systems beweisen.“ So steht es im Fazit seiner Bachelorarbeit. Bis zum Einsatz in Arztpraxen und Krankenwagen sei dennoch einiges an Forschung nötig.
Aron HemmisIch kann mir gut vorstellen, dass die Erfolgsquote beim Einstich durch den Roboter höher ist.
„Es gibt Firmen, die bereits an einem automatisierten System für die Venenpunktion arbeiten“, berichtet der FH-Student, der inzwischen einen Master in Biomedizinische Informationstechnik an der Fachhochschule anstrebt. War seine Arbeit also umsonst? Keinesfalls. „Im Studium geht es nicht vorrangig um bahnbrechende Grundlagenforschung“, sagt Aron Hemmis. „Sich ein Thema nach eigenen Interessen auszusuchen, sich damit intensiv zu beschäftigen und sich in Wahlfächern und Projektarbeiten bis hin zur Bachelorarbeit darauf zu fokussieren, das hat mich im Studium sehr vorangebracht.“ Der Zugang zu den Laboren und die Betreuung durch die Professor*innen sei an der FH Dortmund jederzeit gegeben. Selbst während der Corona-Pandemie. „Ich konnte hier immer viel ausprobieren und austesten“, lobt er.
Werden sich Patient*innen denn künftig darauf einstellen müssen, dass die Blutabnahme nur noch durch den Roboter erfolgt? Aron Hemmis überlegt kurz. Dann sagt er: „Ich kann mir gut vorstellen, dass die Erfolgsquote beim Einstich durch den Roboter höher ist. Aber so ein System hängt auch an der Frage, inwieweit Patient*innen den Maschinen vertrauen.“ Es sei daher wahrscheinlicher, dass die Technik die Mediziner*innen unterstütze aber von ihnen überwacht werde. Zumindest vorerst.