Für die Energiewende ist Deutschland auf Hochleistungsbatteriespeicher angewiesen, um auch bei Windstille und Dunkelheit Strom bereitzustellen. Doch mit der immensen Zahl einzelner Batteriezellen, die in diesen Anlagen verkabelt werden, steigen die Energieverluste. Am Fachbereich Elektrotechnik der Fachhochschule Dortmund wollen Forschende im Projekt KV-BATT diese Verluste reduzieren und erhöhen dazu die Spannung um das Zehn- bis Zwanzigfache.
Ein kleiner Exkurs zurück in die Schulzeit: Die elektrische Leistung beschreibt, wie viel Energie in einer bestimmten Zeitspanne benötigt wird. Sie steht als Watt-Angabe auf jedem Gerät. Die Spannung wird durch die Steckdose vorgegeben, hierzulande sind das 230 Volt. Daraus lässt sich nun die Stärke des Stroms errechnen, der durchs Kabel fließt. Stromstärke ist Leistung geteilt durch Spannung. Beim 900-Watt-Staubsauger an einer Steckdose fließen somit knapp 4 Ampere Strom.
„Würde aus der Steckdose die doppelte Spannung kommen – also 460 Volt –, läge die Stromstärke für den Staubsauger bei nur noch 2 Ampere“, rechnet Prof. Dr. Stefan Kempen vor. Er lehrt elektrische Energietechnik an der FH Dortmund und bringt noch einen entscheidenden Faktor ins Spiel: den Widerstand. „Den bekomme ich nie ganz weg. Selbst das gut leitende Kupferkabel hat einen kleinen Widerstand“, erklärt Prof. Kempen. Und je höher die Stromstärke, desto höher sind die Verluste durch den Widerstand.
Widerstand sorgt für Verluste
Beim Staubsauger ist das alles kein Problem. Doch Hochleistungsbatteriespeicher haben heute Leistungen bis zu 100 Megawatt – also 100 Millionen Watt. Ihre Spannung liegt etwa bei 1000 Volt. Entsprechend der Formel (Leistung geteilt durch Spannung = Stromstärke) entstehen also Ströme von vielen Tausend Ampere. „Selbst kleinste Widerstände erzeugen dann enorme Verluste – und zwar doppelt“, so Prof. Kempen. Denn es geht Strom verloren, der in Form von Wärme abgegeben wird. Die Folge: Die Batteriespeicher müssen gekühlt werden. „Dafür wird wiederum neue Energie benötigt“, erklärt Prof. Kempen.
Die Lösung klingt leicht: „Wir müssen mit der Spannung hoch, um die Verluste zu minimieren – denn je höher die Spannung, desto niedriger der Strom, desto geringer der Verlust“, sagt Prof. Dr. Martin Kiel. Auch er lehrt am Fachbereich Elektrotechnik und hat das Projekt KV-BATT mit Prof. Kempen vorangetrieben. Gemeinsam wollen sie die Spannung im Batteriespeicher nun mindestens um den Faktor 10, vielleicht auch um den Faktor 20 erhöhen.
Dafür entsteht derzeit in der sauerländischen Gemeinde Ense in Zusammenarbeit mit den örtlichen Stadtwerken ein Reallabor. Zwei Batteriespeicher – einer mit der klassischen Spannung von 1000 Volt, einer mit 10.000 bis 20.000 Volt Spannung.
„Wir werden dann nicht nur geringere Verluste sehen, sondern können unter realen Bedingungen prüfen, wie sich die Hochspannung auf die Lebensdauer der Batterien auswirkt und wie wir mit einem guten Batterie-Monitoring das Gleichgewicht der einzelnen Batteriezellen verbessern können“, sagt Prof. Kiel.
Gleichzeitig sollen Normen und Regeln für die Isolierabstände zwischen spannungsführenden Teilen definiert werden. Während diese bis etwa 1500 Volt sowohl für Gleichstrom als auch für Wechselstrom seit Langem geklärt sind und auch bei den Überlandkabeln mit mehr als 100.000 Volt erprobt wurden, fehlen Normen für Gleichspannung im mittleren Spannungsniveau. „Bei 10.000 und 20.000 Volt sind Regeln zur Isolierung in weiten Teilen nicht bekannt“, sagt Prof. Kempen. Auch der Aufbau passender Gleichstrom-Schalter sei noch nicht hinreichend definiert.
Jahrelange Vorarbeit
In den vergangenen Jahren haben die Forschenden an der FH Dortmund bereits eine Vielzahl an Berechnungen durchgeführt, eine eigene modulare Batteriespeicher-Baugruppe entwickelt und diese im FH-eigenen Hochspannungslabor unter diversen Umweltbedingungen von Temperatur bis Luftfeuchtigkeit erfolgreich getestet. „Jetzt wollen wir dieses System im Reallabor final prüfen“, sagt Prof. Kiel. Ende dieses Jahres sollen die Fundamente in einem Gewerbegebiet in Ense-Höingen stehen. 2026 nimmt das Reallabor dann für zwei Jahre den Betrieb auf.
Die FH-Forschenden sind zuversichtlich, mit ihrem Ansatz eine kleine Revolution in den Batteriespeicheranlagen einzuläuten. Denn ihre modulare Baugruppe ist dank höherer Spannung und dadurch geringerem Widerstand deutlich kompakter als herkömmliche Systeme, kommt dank geringerem Wärmeverlust ohne aktive Kühlung aus und soll einen nahezu wartungsfreien Betrieb ermöglichen. Die Module lassen sich einfach zu Reihen verbinden, um an den jeweiligen Strombedarf angepasst zu werden. Parallel zum Reallabor läuft das europäische Patentverfahren.
Hintergrund
Das Projekt „KV-BATT-SYST (Öffnet in einem neuen Tab) “ ist das Folgeprojekt zu „KV-BATT-TECH (Öffnet in einem neuen Tab) “, in dem die FH Dortmund die Grundlagen der Hochleistungsbatteriespeicher entwickelt hat. Im Forschenden-Team der FH Dortmund arbeiten neben Prof. Kempen und Prof. Kiel auch die wissenschaftlichen Mitarbeiter*innen Vanessa Steinkötter, Florian Leßmann und Marvin Sommer. Am Praxistest im Reallabor sind zudem die Ense Werke GmbH, die AEG Power Solutions aus Warstein und WEISSGERBER Engineering aus Dortmund beteiligt. Gefördert wird das Projekt vom Ministerium für Wirtschaft, Industrie, Klimaschutz und Energie des Landes Nordrhein-Westfalen.